von Pfarrer Frank M. Scheeles (es gilt das gesprochene Wort): „In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti“ oder „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Latein oder Deutsch. Die heilige Messe im alten Tridentinischen Ritus lateinisch oder die heilige Messe nach der Ordnung des Zweiten Vatikanischen Konzils in der jeweiligen Landessprache. Bei uns selbstredend in Deutsch. Darüber sind in den letzten Jahren heftigste Diskussionen entstanden. Zunächst war es ein Versuch von Papst Benedikt XVI., die Traditionalisten in der Gemeinschaft der Kirche zu halten, in dem er die alte Form der Messe für Ausnahmesituationen erlaubte. Doch im Laufe der Zeit entwickelte sich die Sache in eine andere Richtung. Mit der Feier der alten Messe versuchte und versucht man sich gegeneinander abzugrenzen. Was verbinden sollte, wurde zum Schwert, das zertrennt. Die Art und Weise, wie man gemeinsam Messe feiert, wurde für viele Menschen zum Maßstab für den richtigen Glauben. Wer die Messe in der alten Form lateinisch feiert, der sei der bessere Christ, der bewahre und pflege den wahren Glauben, der dürfe für seine Glaubensstärke Gottes Lohn erwarten, während alle anderen für sie zur Hölle führen. Wen wundert es da, dass Papst Franziskus dann das tut, was ein Papst tun muss. Er tritt auf die Notbremse und versucht, solchem kirchenspalterischen Treiben entgegenzuwirken. Und dabei steht er ganz in der Tradition des Evangeliums.

Das Gleichnis vom Zöllner und Pharisäer, dass wir eben gehört haben, berührt genau die Diskussion um die richtige Messfeier, die gerade so heftig geführt wird. Da stellt sich der Pharisäer zum Gebet in den Tempel und klopft sich beim Beten selbst auf die Schulter, indem er sagt, wie gut er in Glaubensdingen ist. Er erfüllt alle Vorschriften und Gesetze. Er macht alles richtig im Gegensatz zu dem anderen da. Der Zöllner, der zählt für ihn ganz klar zu den Sündern, für die nach seiner Meinung Gott nur Verachtung übrighaben darf. In seiner selbstgerechten Art bemerkt der Pharisäer nicht, wie ungerecht er ist. Und er bemerkt erst recht nicht, wie gotteslästerlich er wird, indem er genau vorgibt, wie Gott zu urteilen hat. Da wird bewusst oder unbewusst ein Konkurrenzkampf im Glauben geführt: Gut oder schlecht, gläubig oder ungläubig, sündig oder gerecht vor Gott. Und wir Menschen sind bei solchen Konkurrenzkämpfen schnell dabei, denn Konkurrenz gehört irgendwie zu unserem Leben. Wer verdient mehr? Wer hat die glücklichere Beziehung, wer das größere Haus, das größere Auto, das neuere Handy, das größere Bankkonto? Es ist ein schönes Gefühl, auf der Gewinnerseite zu stehen. Man hat es sich ja verdient. Kraft und Anstrengung müssen belohnt werden. Und es ist auch ein schönes Gefühl, auf die anderen herabsehen zu können. Das poliert das Selbstwertgefühl ordentlich auf. Psychologen sagen, der Mensch folgt seinem Selbsterhaltungstrieb: Der Gewinner überlebt. Und mancher denkt jetzt an Charles Darwin und seine Theorie vom Überlebenskampf des Stärkeren.

Allerdings hebt Jesus mit dem Gleichnis die Hand und sagt: Alles auf Stopp! Schaut doch mal, was da gerade mit euch passiert. Da übernimmt eine unbewusste Triebdynamik das Ruder in deinem Denken, deinem Leben und Tun. Und diese Triebdynamik instrumentalisiert sogar noch Gott. Und du bemerkst es vielleicht gar nicht. Darum lädt er uns mit dem Gleichnis ein, unsere Grundeinstellung des Glaubens zu überprüfen. Der Zöllner im Gleichnis betet: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ und klärt damit für sich die Ausgangslage. Wenn ich anfange, meine Leistungen und Verdienste aufzuzählen, wenn ich sozusagen den Glauben zu einem Wettrennen mache in der Hoffnung, der Sieger zu sein, dann habe ich von der Botschaft Jesu und von diesem Gott nichts, aber auch gar nichts verstanden. Die Botschaft Jesu ist klar, und darum bekommt er auch immer wieder Probleme mit den Pharisäern und ihrem religiösen Leistungsdenken. Jesus predigt, Gott tickt anders als die Menschen; er verhält sich nicht so, wie der Mensch es ihm vorschreiben möchte. Er bleibt der Unbegreifliche, er bleibt in aller Hinsicht der Allmächtige, der Unverfügbare. Er lässt sich nicht auf menschliche Rechenspiele ein, die vorgeben, wann Gott einem Menschen zugeneigt sein muss. Der Mensch kann sich die Zuneigung Gottes nicht verdienen, sondern Gott zeigt dem Menschen seine Liebe und Zuneigung aus einer Freiheit heraus, die kein Mensch begrenzen kann. Und dort, wo der Mensch es versucht, da begeht er die größte Sünde, die es gibt: Er will sein wie Gott! Aber Jesus sagt auch, dort wo der Mensch dies begriffen hat, da wächst auch die Bereitschaft, sich und sein Leben nach diesem Gott auszurichten. Das wird dem Menschen nicht immer gelingen, aber er darf es immer wieder neu versuchen. Darum spricht der Zöllner auch: „Gott sei mir Sünder gnädig“. Lass mich nicht fallen, wenn meine Versuche scheitern, mein Leben nach dir auszurichten. Mach mir Mut und hilf mir, es weiter zu versuchen.

Manche deuten das Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner vordergründig auf die rechte Gesinnung, die der Mensch beim Beten einnehmen soll. Ich entdecke für uns aber darin noch weit mehr. Wenn ich sage, das Gleichnis ist ein Korrektiv für alle Besserwisser und alle ungerechten Glaubensrichter, denen wir begegnen, dann werde ich dem Gleichnis nicht gerecht, weil ich indirekt selbst schon wieder bewerte und selbst richte. Vielleicht darf man das Gleichnis für uns heute so deuten: Ihr alle steht in Glaubensdingen gemeinsam an der Startlinie für einen Lauf, bei dem es nicht darum geht, wer bester ist und wer als erster ans Ziel kommt. Sondern bei dem es darum geht, wie ihr das schafft, gemeinsam ans Ziel zu kommen. Eine solche Grundausrichtung verändert die Haltung untereinander völlig. Konkurrenz wird zur Solidarität, die auf der Einsicht beruht: Ich kann mir vor Gott nichts verdienen; alles, was mir zum Leben verhilft, wird mir von Gott geschenkt. Eigentlich eine sehr einfache Erkenntnis, doch hat sie eine unbeschreiblich verändernde Kraft auf die Gestaltung unseres Glaubenslebens, aber auch auf das Erleben und das Aussehen unserer Kirche. Amen.

L Sir 35,15b–17.20–22a; 2. L 2 Tim 4,6–8.16–18; Ev Lk 18,9–14 (Lekt. III/C, 382)